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Wer zahlt Dolmetscher beim Arzt?

Tausende Menschen sind bei ihren Arztbesuchen auf einen Dolmetscher angewiesen. Doch die wenigsten können einen mitbringen. Die Arztpraxen haben ab und zu Angestellter mit diversen Sprachkenntnissen, aber für alle Bedürfnisse reicht es bestimmt nicht aus.
In Krankenhäusern ist die Situation nicht anders und oft noch dramatischer. Wenn ein Mensch in der Notstation eingeliefert wird, der kaum Deutsch spricht, können die Ärzte oft die Ersthilfe nicht schnell genug und nicht richtig leisten.
Das Problem ist allen Dolmetschern bekannt, die als Sprachmittler für lächerliche Honorare von 20,00 Euro pro Stunde angeheuert werden. Dabei wird auch die hohe Professionalität erwartet, da der medizinische Wortschatz gute Kenntnisse der Materie oder eine gründliche Vorbereitung erfordert. Was, wenn der Dolmetscher einen gravierenden Fehler macht? Allerdings scheuen sich die Ärzte nicht vor solchen „Helfern“, weil sie denken, dass es besser etwas als nichts sei. Ein halbguter Dolmetscher ist jedoch genauso gefährlich, wie ein Fahrer ohne Führerscheinprüfung.
Allerdings will die Bundesregierung einen Anspruch auf Übersetzungsleistungen für Arztbesuche gesetzlich festschreiben. Allerdings ist es nicht sicher, ob die Gesetzesänderung noch bis zum September 2025 verabschiedet wird. Davon berichtet die taz (https://taz.de/Dolmetschen-in-der-Arztpraxis/!6031606/):
„In ihrem Koalitionsvertrag hatten sich SPD, Grüne und FDP vorgenommen: „Sprachmittlung auch mit Hilfe digitaler Anwendungen wird im Kontext notwendiger medizinischer Behandlung Bestandteil des SGB V.“ Das war im Herbst 2021. Umgesetzt hat die Ampel das Vorhaben bis heute nicht. taz-Recherchen zufolge ist nicht sicher, ob das in dieser Legislatur noch passiert.

Bereits seit Jahren fordern Mediziner*innen, Psychotherapeut*innen und Gesundheitsverbände ein Anrecht auf Sprachmittlung in der Sprechstunde für Menschen ohne ausreichende Deutschkenntnisse. Auch wissenschaftliche Studien belegen: Wer sich beim Arztbesuch oder in der Psychotherapie nicht gut verständigen kann, kann die falsche Diagnose und im Anschluss die falsche Therapie bekommen. Oder richtig diagnostiziert und beraten werden – beides jedoch selbst falsch verstehen.
In der Folge droht Patient*innen, überdurchschnittlich lange nicht gesund zu werden – oder im schlimmsten Fall noch kränker als zuvor. Besonders häufig davon betroffen sind Menschen mit Migrations- oder Fluchtgeschichte. Ethisch ist das nicht zu rechtfertigen. Und auch juristisch nicht: Das Grundgesetz schreibt in Artikel 3 das Recht auf Gleichbehandlung vor. Zudem hat sich Deutschland einer ganzen Reihe internationaler Konventionen verpflichtet, unter anderem dem Abkommen zur Beseitigung jeder Form rassistischer Diskriminierung.
Weil bislang jedoch sämtliche Bundesregierungen versäumten, eine flächendeckende Lösung zu etablieren, hat sich ein System des sogenannten „Gelegenheitsdolmetschens“ entwickelt: In vielen Praxen und Kliniken übernehmen Lai*innen notgedrungen und oft unbezahlt Arbeit, die eigentlich Profis machen müssten.
Oft machen dies Familienangehörige. Das ist zwar besser als keine Übersetzung und funktioniere in Erstgesprächen nicht schlecht. Allerdings sei es für viele Menschen sehr belastend, ihren Angehörigen schwere Diagnosen zu übermitteln.
Zudem fehle es Lai*innen häufig an den richtigen Begriffen zum Thema.

Auch der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags hält in einer Stellungnahme fest, Gelegenheitsdolmetschen sei nicht praktikabel. Besonders bei Tabuthemen wie Sexualität oder der Therapie traumatischer Erlebnisse könne es hinderlich sein, wenn Angehörige oder andere ungeschulte Menschen sprachliche Brücken bauen müssten.
Professionelle Übersetzungen bieten nur wenige Gesundheitseinrichtungen an. Oft ist die Kostenfrage ungeklärt. Auf eigene Rechnung können sich das nicht viele Patient*innen leisten. Und auch die Kalkulationen von Kliniken und Praxen sind dafür häufig zu eng. …
Der Mangel an professioneller Sprachmittlung verschärft auch die Versorgungssituation für psychisch belastete Geflüchtete. Nur vier Prozent können die psychosoziale Hilfe in Anspruch nehmen, die sie brauchen. Die bundesweiten psychosozialen Zentren, die Betroffene von Flucht, Folter und Vertreibung unterstützen, sind akut ausgelastet, auch weil Geflüchtete kaum Zugang zur therapeutischen Regelversorgung haben. Dort fehlen neben fluchtspezifischem Know-how vor allem: Sprachmittler*innen. …
Zudem müsse der Anspruch auf Sprachmittlung auch für Menschen gelten, die das Asylbewerberleistungsgesetz aus der Regelversorgung ausschließt. Wenn sie überhaupt eine gesundheitliche Behandlung in Anspruch nehmen können, müssen sie bislang einen gesonderten Antrag auf Sprachmittlung stellen.
Seither hat sich nichts bewegt. Ein Hindernis ist die ungeklärte Finanzierungsfrage. Der Mainzer Professor für Interkulturelle Kommunikation Bernd Meyer schätzt, dass mit einem gesetzlichen Anspruch auf Sprachmittlung in Deutschland jährlich bis zu eine Million Übersetzungsdienste anfallen und mehr als 60 Millionen Euro Kosten entstehen würden.

Geht es nach Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), sollen die Gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) diese Kosten tragen. Die Kassen sehen Sprachmittlung jedoch nicht als Versicherungsleistung, sondern als gesellschaftliche Aufgabe. Die Bundesregierung solle sich also um die Finanzierung kümmern, schreibt der GKV-Spitzenverband. Im Entwurf des Bundeshaushalts 2025 ist das aktuell nicht vorgesehen.
Ein weiteres Problem: Beschlossen werden soll das Gesetzesvorhaben zur Sprachmittlung als Teil eines umfassenderen Pakets, dem Versorgungsgesetz II. Zuvor möchte das Gesundheitsministerium jedoch ein Versorgungsgesetz I beschließen. Das soll Hausarztpraxen finanziell entlasten und die psychotherapeutische Versorgung verbessern.
Nachdem die FDP dieses Paket lange ausgebremst hatte, weil es ihr zu teuer war, ist es erst Ende Juni 2024 – mit mehr als einem Jahr Verspätung – zum finalen Gesetzgebungsverfahren in den Bundestag gelangt. Dieser tagt jedoch erst wieder ab nächster Woche. Um das Versorgungsgesetz II danach und noch vor der nächsten Bundestagswahl durchs Parlament – und so das Anrecht auf Sprachmittlung ins Sozialgesetz – zu bringen, bleibt also nur noch etwa ein Jahr Zeit.“

Deutscher Übersetzerfond ist von Kürzungen bedroht!

Wie der Tagesspiegel berichtet, nach den gegenwärtigen Entwürfen der Ampelkoalition sind für das Jahr 2025 massive Kürzungen geplant.
„Dreimal jährlich vergibt der Deutsche Übersetzerfonds Stipendien an literarische Übersetzerinnen und Übersetzer. In der zweiten Vergaberunde dieses Jahres wurden in drei Jurysitzungen insgesamt 82 Bewerber·innen für eine Förderung ausgewählt – 65 Übersetzer·innen mit Zielsprache Deutsch, 17 Übersetzer·innen mit Ausgangssprache Deutsch. Insgesamt wurden dabei 372.500 Euro bewilligt.
Die Verteilungskämpfe sind also auch intern massiv. Immer gilt es, weithin vernetzte Ökosysteme zu steuern, deren Funktionsweise nicht an den Grenzen der jeweiligen Institution haltmacht“, schreibt die Zeitung.
Der DÜF ist sehr wichtig für die deutsche Kulturlandschaft. 14 Prozent aller jährlichen Neuerscheinungen sind Übersetzungen, in der Belletristik sogar rund 25 Prozent.
Die Seitenhonorare literarischer Übersetzer betragen zwischen 20 und 25 Euro – das wissen wir alle. Ein Stipendium hilft den Verlagen, Projekte sinnvoll zu berechnen, die sonst gar nicht zustande kommen würden.
„Entscheidend aber ist die Expertise und Initiative von Übersetzern. Als eine den Markt erweiternde und korrigierende Kraft steht sie gleichberechtigt neben der von Agenten, Scouts und Lektoren. Schon in ihren Voraussetzungen, lange vor jeder sprachschöpferischen Leistung, lebt die im Vergleich mit den europäischen Nachbarn einzigartige Wachheit dieses Landes für andere, auch entlegene Literaturen, von begeisterten und begeisterungsfähigen Übersetzerinnen und Übersetzern. Sie werden auch als vermittelnde Essayisten und Moderatoren gebraucht“, betont der Autor.
Aufgrund der Wichtigkeit der Übersetzer und Übersetzerinnen für das Kulturleben und den literarischen Diskurs Deutschlands ruft die Zeitung die Politiker, unter anderem Claudia Roth dazu auf, die Pläne zur Kürzung der Förderung zu überdenken.

https://www.tagesspiegel.de/kultur/verpuffter-elan-bundeskulturfonds-wehren-sich-gegen-kurzungen-12259157.html

Dolmetscherberuf wird verschwinden?

Wie ein Spiegel-Autor prophezeit, werden Dolmetscher bald nicht mehr notwendig sein. Nur – wie bald? Reicht es noch für diese Generation von ausgebildeten Dolmetschern oder wird der Beruf schon in ein paar Jahren verschwinden? Sollen die Unis schon jetzt die Fächer Dolmetschen, Übersetzen und Translationswissenschaft schließen?

Dies gibt ein Kommentar von Spiegel nun zu denken (https://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/ki-uebersetzungen-wie-betreten-eine-welt-ohne-sprachbarrieren-kolumne-a-7da2f393-fc12-4ab1-b1ab-cb6e27070503):

«Für Menschen, die mit der Synchronisation von Filmen ihr Geld verdienen, brechen womöglich bald schwierige Zeiten an: Zwar produzieren automatische Systeme zur lippensynchronen Maschinenübersetzung derzeit noch relativ monoton klingende Outputs , aber das wird nicht lange so bleiben. Diverse Start-ups arbeiten an »Dubbing«-KIs. Das Weltarchiv der synchronisierten Filme und anderer eingesprochener Texte, die in vielen Sprachen vorliegen, wird jetzt zum Trainingsreservoir für Synchronisationsmaschinen . In Zukunft werden auch Melodie und Emotionalität simulierbar sein.
Die Alltags-KIs, die viele Menschen eines Tages, wie im Film »Her« , selbstverständlich im Ohr tragen werden, werden es aber auch ermöglichen, in jedem beliebigen Land der Welt ohne Wörterbuch oder Sprachkurs zu kommunizieren. Wer persönliche Beziehungen pflegen, Literatur im Original genießen, oder im Geschäftsleben besonders höflich sein will, wird zwar wohl weiterhin Fremdsprachen erlernen – doch die Motivation und die Notwendigkeit, das zu tun, wird dramatisch sinken.»

Sollen sich die Kollegen schon jetzt umorientieren? Wie geht es weiter bei den Gerichten und der Polizei? Eine Zukunft mit Knopf im Ohr für alle Sprachen ist natürlich eine perfekte Lösung, die sehr viel Geld für den Haushalt spart. Nun, wieso wird dann gerade jetzt so viel Aufwand mit einem neuen Verfahren für die Beeidigung von Dolmetschern gemacht?

Dass bald eine perfekte KI für alle Dolmetschervorgänge gibt, ist gewiss illusorisch. Übersetzer und Dolmetscher werden zumindest für die Übergangszeit, bis alle elektronischen Dolmetscher-Tools einwandfrei funktionieren werden, notwendig sein. Trotzdem muss man für alle Veränderungen gewappnet sein und sich unter Umständen nach einer neuen Rolle in diesem veränderten Translationssystem umschauen.

KI-Übersetzertools können verhängnisvolle Fehler machen

Google-Übersetzer ist ein kein Ersatz-Dolmetscher! Das hat neulich ein Vorkommnis um die falsche Wiedergabe einer X-Nachricht des israelischen Premier-Ministers Benjamin Netanyahu gezeigt.

Falsche Google-Übersetzung führte zu einer weitreichenden Empörung in den sozialen Netzwerken. Es hieß übersetzt aus dem Hebräischen, dass die israelische Regierung eine jüdische Siedlung im Gazastreifen plane und eine Zwei-Staaten-Lösung dadurch unmöglich mache.

Wegen der falschen Übersetzung kursierten im Netzt verheerende Behauptungen:
„Netanyahu legt Grundstein für israelische Siedlung in Gaza, was erneut internationales Recht verletzt.“,
„Erst alle Warnhinweise ignorieren, dann die eigenen Leute abknallen, anschließend Gaza platt machen und heute schon deine neue Siedlung gründen“,
„Der Schlächter von Gaza beim Stehlen von Land“.
Der Google-Übersetzer führte die Nutzer auf die falsche Fährte. Sie dachten, dass Israel den durch den Hamas-Angriff vom 7. Oktober ausgelösten Krieg ausnutze, um eine Siedlung im Gazastreifen zu gründen. 

Wie ARD informiert, dass man bei der Nutzung der automatischen Google-Übersetzungsfunktion von X den folgenden Text zu lesen bekommt:
„Heute Abend wird im Gazastreifen der Grundstein für die Siedlung ‚Ofir‘ gelegt, benannt nach dem ehemaligen Vorsitzenden des Negev-Tor-Rats, dem verstorbenen Ofir Liebstein, der von der Hamas ermordet wurde. (…)“

Der richtige Inhalt lautet jedoch: Die von Netanyahu benutzte Bezeichnung beschreibt nicht die politische Einheit des Gazastreifens, sondern die gesamte Region, somit auch israelische Gebiete, die an der Grenze des Gazastreifens liegen. Denn auf israelischer Seite befindet sich auch die nun neu gegründete Siedlung „Ofir“. Es handelt sich also nicht um eine israelische Siedlung auf palästinensischem Gebiet. Die neue Siedlung in der Negev-Wüste wurde nach Ofir Liebstein benannt, dem ehemaligen Vorsitzenden des Regionalrats der Region, der während des Hamas-Angriffs am 7. Oktober ermordet wurde.

Also – erfreuliche Nachricht für Dolmetscher und Übersetzer: Die KI kann einen Menschen nicht ersetzen! Noch nicht.